Rabenwind
Poesie von Sascha Besier

RABENWIND-BLOG

Blog von Sascha Besier: Gedichte, Kurzgeschichten, Aphorismen, Bonmots und mehr. Ich freue mich über einen Kommentar.


2019-11-15

Rabenwind

Hier am Ufer meiner Tränen
fand, mit grausigem Geschick,
ich mein Hoffen und mein Sehnen,
´s lag versunken dort im Schlick;
wie ein Fund aus alten Tagen,
lang verrostet und verstaubt,
wie ein Schwert aus Heldensagen,
lag es da, wo’s keiner raubt.
 
Nur ein Forscher sucht dort weiter,
wo ein andrer nicht mehr will,
steigt hinunter auf der Leiter,
wo es modrig ist und still.
Ich darf mich zu diesen zählen,
die im Geiste nicht gesund
und die Seel’ mit Fragen quälen,
also stieg ich in den Schlund.
 
Träume verfaulen, wo ich die Antwort find’  –
ihren Verwesungsduft trägt der Rabenwind.
 
Dieses Motto zärtlich raunte
durch die launenhafte Gruft,
während angstvoll ich bestaunte,
woher kam die Klangesluft.
In Gebeinen meiner Träume,
wühlt’ ich nach dem süßlich’ Schall;
frei der Nachtmahr seiner Zäume,
kroch aus Ritzen von Verfall.
 
Seine Schwärze nun erhellte,
was das Licht bislang verbarg;
schlau mein Wesen sich verstellte,
baute sich’s auch selbst den Sarg.
Viele Masken, die von Tugend,
aber auch Passion zur Ehr’,
fraßen mich seit frühster Jugend
völlig auf und gänzlich leer.
 
Wahrheit verfault, wo der Lüge Spiel beginnt –
ihren Verwesungsduft trägt der Rabenwind.
 
Ich war’s selbst, der sich zerstörte,
der sein Heil gab – arglos, frei –
Schatten hin, die man nicht hörte,
mit nur vagem Konterfei;
meine Wünsche und auch Wunden –
hielt geheim sie, wie mein Ich –
habe ich nie mehr gefunden,
alles Teure mir verblich.
 
Hier im feuchten, alten Grabe,
meines tollen Sehnens voll –
mich nie hingegeben habe,
weil nicht wissend, was es soll –
bin bis heute ich geblieben,
klar ist mir nun denn mein Sein.
Scheinbar steht es so geschrieben:
Ich bleib liegen und allein.
 
Seelen verfaulen, sind deren Herzen blind  –
ihren Verwesungsduft trägt der Rabenwind.
 
© Sascha Besier

Admin - 17:30:55 @ Gedichte | Kommentar hinzufügen